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Geheimcode: Sciotti

Veröffentlicht am 05.09.2019

Die bunte Filmplakat- und Cover-Welt von "Action-Painter" Enzo Sciotti

Mitte der 1980er Jahre war seine große Zeit. Da konnte es passieren, dass man am Freitagnachmittag vom Asta zum Rex spazierte und feststellte, dass gerade zwei oder sogar drei neu gestartete Filme gleichzeitig mit seinen Muskelmännern, hübschen Frauen und riesigen Explosionen warben. Die Kinoplakate stellten zwar schon zunehmend von gemalten Illustrationen auf Fotos um, aber Enzo Sciotti war in seinem römischen Atelier trotzdem im Dauereinsatz. Nur mittags gönnte sich der am 24.9.1944 geborene Künstler eine Auszeit und radelte zum Schwimmen. Danach malte er weiter unverdrossen für die Action-Kracher des Schweizer Verleihers Erwin C. Dietrich, Marke „Geheimcode: Wildgänse“, und zeitgleich für die knalligen Video-Cover der späten Charles-Bronson-Filme.

Auch Sexkomödien und besonders Horrorfilme zählten zu den Spezialitäten Sciottis, der im Unterschied zu seinem ebenso schnell arbeitenden, acht Jahre älteren italienischen Kollegen Renato Casaro keine Angst vor expliziten Darstellungen kannte – und, ähnlich wie sein Vorgänger Averardo Ciriello, gerne verführerischen Frauen huldigte. Berühmt-berüchtigt sind seine mit Temperafarben und Airbrush-Effekten erstellten Motive zu Lucio Fulcis Schockern „Das Haus an der Friedhofsmauer“ und „Der New York Ripper“ sowie zu David Lynchs Meisterwerk „Blue Velvet“. Der europaweite Erfolg der „Flotte Teens“-Komödienserie mit Gloria Guida und Edwige Fenech ist ohne seine Plakatmotive undenkbar.  Aber nicht nur „Thunder“ und „Bloodsport“ konnte der Sohn eines Malers und Kirchenausstatters an den Mann bringen - ihm gelangen auch ganz feine, zärtliche Plakatmotive zu „Le Bal - Der Tanzpalast“ und „Madame Sousatzka“.   

Obwohl Sciottis Starporträts und Actiondarstellungen kaum zu toppen waren, man betrachte sich nur die Plakate zu den längst vergessenen Krimis „Treffpunkt Todesbrücke“, „Das Condor-Komplott“ oder „Kennwort: Salamander“, stand der sportliche Römer doch immer im Schatten Renato Casaros, der mit seinen internationalen Verbindungen sehr viele A-Filme illustrieren durfte und nur selten Nebenmotive einsetzen wollte. Erst jetzt, mit fast 75 Jahren, wird Sciottis buntes, fotorealistisches Schaffen, das manches B-Movie in den deutschen Kinos über die 100.000-Besucher-Grenze hievte und in Videotheken für höchste Ausleihfrequenzen und abgegriffene Hüllen sorgte, gebührend gewürdigt. Der zweite Band seines 2017 veröffentlichten Buches „Il Cinema Dipinto - Painted Cinema“ mit weiteren Bildern seiner fast 3.000 Werke kann in Kürze über seine Website enzosciotti.com erworben werden. (rs)