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Das Asta Nielsen (1911-1986)


Eröffnet: 17.11.1911
Letzter Spieltag: 30.12.1986


Spielpausen:
30.3.1944 bis 11.10.1945, 30.11. bis 16.12.1970, 29.7.1973 bis 3.1.1975.

Architekten:
Karl Lammers (1911, Umbau 1914),
Hanns Rüttgers (1944, 1945, 1970), Hans Nehaus und Karl-Heinz Wiel (1974).

Erbauer:
August Baltes

Inhaber und Betreiber:
Familien August Baltes, Kurt Baltes, Walter und Alfred Baltes (Besitzer 1911-1973, Betreiber 1924-1970; Düsseldorf),
Christoph Mülleneisen (Pächter und Mit-Betreiber, 1911-1924; Köln, Berlin)
Marie-Luise Goldschmidt (Pächterin, 1970-1972; Düsseldorf),
Adolf Schoofs (Pächter 1972-1976; Besitzer 1975-1981; Köln),
Manfred Goldermann (Besitzer 1973-1975, Betriebsleitung, Programmierung und Einkauf 1976-1982; Düsseldorf),
Gisela Schumacher (Inhaber 1981-1986; Köln),
UFA (Betriebsleitung, Programmierung und Einkauf 1982-1986; Düsseldorf).


1.
Fremder Vogel, fremde Federn


Mit einer traurigen Liebesgeschichte zwischen einer wohlhabenden Engländerin und einem einfachen deutschen Bootsmann, die 44 Minuten und drei Akte dauert, fängt alles an. Das Dü
sseldorfer Asta Nielsen-Kino öffnet seine Pforten am 17. November 1911 mit dem nicht jugendfreien Stummfilmdrama „Der fremde Vogel“, Untertitel: Eine Liebestragödie im Spreewald. Natürlich spielt in ihm die dänische Filmdiva Asta Nielsen mit, von der sich das im Hinterhof eines Wohnhauses erbaute Lichtspieltheater stolz den Namen geliehen hat. Tatsächlich ist Nielsen zur Eröffnung angereist, zusammen mit ihrem Regisseur und späteren Ehemann Urban Gad. Kinopächter und Namensgeber Christoph Mülleneisen begrüßt den Star überschwänglich. Der 45-jährige Filmproduzent Mülleneisen hat das Kino vor allem deshalb von dem Düsseldorfer Herrenschneider August Baltes gepachtet, um mit ihm den Starkult um Asta Nielsen anzuschieben. Schließlich hat der gebürtige Kölner mit Nielsen und Gad sechs Monate zuvor in Frankfurt einen exklusiven Vierjahres-Vertrag über vierzig Filme ausgehandelt, samt Gründung einer eigenen Kinokette Projektions-AG Union, kurz PAGU, zu der auch die Berliner und Mannheimer Union-Kinos des PAGU-Geschaftsührers Paul Davidson zählen. Zuallererst soll das von dem Architekten Karl Lammers erbaute 594-Platz-Haus ihr schmeicheln und dann natürlich alle ihre neuen Filme spielen. August Baltes und sein Freund Hans Friedrich haben für den Bau gut 30.000 Mark aufgebracht.
Mit der von Mülleneisen produzierten "Asta-Nielsen-Serie" ändert sich die noch junge Kinematografie grundlegend: Erstmals gelingt es, eine Person kontinuierlich als Filmstar aufzubauen, in verschiedensten Rollen und entsprechend der großen Theaterschauspielerinnen. Dazu läuten Nielsens Werke den Übergang vom Kurzfilm- zum Langfilmprogramm ein. Die Etablierung eines eigenen Asta-Nielsen-Kinos ist auch der letzte entscheidende Schlag Mülleneisens gegen den Düsseldorfer Filmverleih-Pionier Ludwig Gottschalk, der Ende 1910 mit "Abgründe" die Schauspielerin Nielsen überhaupt erst in Deutschland bekannt machte. Der Eröffnungsabend des Asta Nielsen endet mit einem extra für die Schauspielerin geschriebenen Walzer des Düsseldorfer Komponisten Matthieu Hoefnagels. "So begannen die Asta Nielsen Lichtspiele voll und ganz im Zeichen Asta Nielsens", notiert fünf Tage später der Düsseldorfer "Kinematograph", und lobt dabei die "freundliche und vornehme Architektur" des intim anmutenden Theaters. 


Der Besuch der Namenspatronin am Eröffnungstag verfehlt seine Strahlkraft nicht. Im Gegenteil. Er wirkt über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Nielsens Auftritt dürfte mit ein Grund dafür sein, dass das Kino, außer 1926 und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, nie seinen Namen in Frage stellt und der Stadt, in der es steht, lange eine hervorragende Reputation als wichtigste Film- und Verleiherstadt Nordrhein-Westfalens sichert. Kurz vor Mülleneisens Tod im Juni 1925 fällt das Kino zurück an die Witwe von August Baltes, Mathilde Baltes, die es 1932 in die Hände ihres Sohnes Kurt gibt, der so, entgegen seiner Pläne, Ingenieur zu werden, plötzlich als Kinobesitzer reüssiert. Zusammen mit dem Oberbilker Skala-Theater auf der Kölner Straße 317 führt die Familie das Asta vier Jahrzehnte lang, bis zum Höhepunkt der Kinokrise Ende der 1960er Jahre. Clever verbreitet die Direktion in den ersten Jahren immer mal wieder, die Nielsen werde ihren Besuch sicherlich baldmöglichst wiederholen und es könne also sicher nicht schaden, regelmäßig vorbei zu schauen. Nichts dergleichen passiert. Zwar kolportiert man später, sie sei doch noch einmal leibhaftig da gewesen, um vom teuersten der mittlerweile 844 Plätze aus ihren Film zu bestaunen und die Atmosphäre des prunkvollen, knapp 400 Quadratmeter großen Saales aufzusaugen, wohl wissend, dass das Beharren auf einer Lüge irgendwann dazu führt, dass sich Wahrheit und Wunschdenken nicht mehr auseinander halten lassen. Da Kinobesitzer aber erstaunlicherweise schlechte Märchenerzähler sind, können weitere Auftritte Nielsens nicht zementiert werden. Schlimmer noch. Im Juni 1926, ein Jahr nach Christoph Mülleneisens Tod, besucht die Diva den Filmball im prunkvollen, benachbarten Residenz-Theater und muss dabei feststellen, dass ihr Theater seit kurzem "Moderne Lichtspiele" heißt. Ein Fauxpas, der zwar Ende des Jahres korrigiert wird, aber der Nielsen sauer aufstößt. Glücklicherweise ist Nielsens Name in der Düsseldorfer Kinolandschaft jedoch so etabliert, dass die Umbenennung lediglich für negative Schlagzeilen und im Verlauf des Jahres 1926 eben nicht für höhere Umsätze sorgt. So bleibt das Asta Nielsen, neben dem 1919 in Benrath bei Düsseldorf eröffneten Fern Andra, eines der wenigen deutschen Kinos, die sich weiterhin mit dem Namen einer frühen Filmpersönlichkeit schmücken und die Erinnerung an die Gründerzeit der bewegten Bilder ins moderne Kino retten.


Mit der Eröffnung immer neuer Filmpaläste in Düsseldorf scheint das mittelgroße Kino dem Ruhm seiner 1883 geborenen Namensgeberin allerdings bald hinterher zu laufen. Ein ironischer Ton schwingt mit, wenn man vom Asta Nielsen spricht. Nein, mit dem berühmten Max Linder in Paris, das tatsächlich von dem Komiker mit dem seidenen Zylinder erbaut wurde, kann das Haus sicher nicht verglichen werden. Und doch ist die Namenswahl im Nachhinein als Glücksfall anzusehen, weil sie mit der unendlichen Sehnsucht nach dem eigentlichen Wesen des Kinos kokettiert, der Hoffnung, dass hinter einer Schauspielerin wie der Nielsen mehr als ein normalsterblicher Mensch steht. Vielmehr ein ganzes Universum, eine Traummaschine, die das Publikum mit immer neuen Geschichten füttern und, ganz im Gegensatz zu dem lauten, dampfenden Projektor über dem Zuschauersaal, niemals ins Stottern geraten wird. Und beim abendlichen Verschließen des Kinos seufzen die Mitarbeiter leise und sehen dann noch einmal auf die Buchstaben am Haus. Die fleißigsten Kinobesucher sind die Düsseldorfer ja nicht, aber die Schönheit der jungen Asta Sofie Amalie Nielsen, die Guillaume Apollinaire mehr als einmal wortreich gepriesen hat, strahlt immerhin bis weit vor die Mauern der Filmtheater. Auch Zigaretten- und Parfümhersteller versehen ihre Waren mit dem ungeschützten Markennamen Asta und unterstreichen damit die Bedeutung der ersten großen Filmschauspielerin.

2.
Das Lichtspiel bekommt Töne


Schon bald zeigen die Lichtspiele auf der Graf-Adolf-Straße 37 die ersten Filme ohne ihre Namenspatronin, die sich in Kopenhagen später sehnlichst ein Kino wünscht, doch trotz 16-facher Vorsprache nie eine Konzession erhält. In den ersten Jahren führt das deutsche Kino, das ihr nur dem Namen nach gehört, Schwänke und Dramen in mehreren Akten auf, samt Wochenschauen und "verschiedenen Humoresken und Naturaufnahmen". Daneben feiern Enrico Guazzonis Historienepos "Quo vadis?" und Louis Feuillades legendäre Abenteuerserie "Fantômas", aber auch plumpe Propagandastreifen der Marke "Die Sommeschlacht" im Asta ihre Premiere. Besonders erfolgreich sind Anfang der zwanziger Jahre die „romantisch-sensationellen Abenteuer“ des „beliebtesten und größten Abenteuer-Königs“ Harry Piel. Das Hausorchester unter der Leitung der "Kapellmeister" Freddy Beyer, Bruno Gellert und Rudi Kessler begleitet jede Vorführung mit gebührendem Ernst und spielt auch dann noch weiter, wenn einer der Akte reißt und das Bild kurzzeitig verschwindet. Plötzliche Pausen und technische Defekte überspielen die Musiker ebenso sicher, wie der Name des Theaters über die mitunter dürftigen Schauspielerleistungen und das oftmals zweitklassige Programm hinweg tröstet. Kleinere Kinos, denen nur ein Grammophon zur Verfügung steht, führen die Kassenschlager ungleich unspektakulärer vor, was der allgemeinen Sehnsucht nach Kintopp allerdings keinen Abbruch tut.
Ab Mitte der 1920er Jahre führt das Asta durchweg zwei knapp einstündige Langfilme hintereinander auf, verbunden mit einer Wochenschau, einem Naturfilm und meist noch einer kurzen Komödie. Während der Literat D.H. Lawrence in seinem Roman "Lady Chatterley" - der nicht nur viel mit Nielsens "Der fremde Vogel" gemeinsam hat, sondern dessen Filmadaption sechs Jahrzehnte später auch im Asta laufen wird - den Kintopp als industrialisierte Unterhaltung geißelt, freunden sich die ersten Kritiker endgültig mit der siebten Kunst an. Zu den treuesten Besuchern des Asta-Nielsen-Theaters gehört der Kritiker und Autor Hans Schaarwächter, der für die Zeitung Der Mittag sowohl die Komödien eines Ernst Lubitsch, "The Marriage Circle" läuft 1927 unter dem Titel "Mit der Ehe spielt man nicht", als auch die "vorzüglichen Erzeugnisse amerikanischer Herkunft", sprich Western wie "Die Falle am Crowton-Pass", ankündigt und bespricht. 



Sowohl den Ersten Weltkrieg als auch die Einführung des Tonfilms am 1.11.1930 überstehen Asta Nielsen und „ihr“ Kino zunächst unbeschadet. Dank des nicht mehr benötigten Orchestergrabens kann das Haus die Stuhlkapazität von 750 auf 850 aufstocken. Die arbeitslosen Orchestermitglieder kehren den Lichtspielen laut schimpfend den Rücken und flüchten sich zurück in die Varietés und Revuetheater. Nicht jeder ist so verzweifelt wie Max Linder, der sich in Paris mit seiner jungen Ehefrau das Leben nimmt, weil er das Verschwinden des Stummfilms und des damit verbundenen Ruhms nicht verkraftet. Das Überangebot an neuen Filmen und Kinos macht die Auswahl für die Theaterbesitzer nicht unbedingt leichter. Und so betet manch einer, der Name des Hauses möge reichen, um für einen kontinuierlichen Fluss von Zuschauern zu sorgen. Auch in Düsseldorf betrachten sich die Theaterleiter hoffnungsfroh die unter den leuchtenden Kinobuchstaben immer größer und eindeutiger gestalteten Plakattransparente. Der Besitzer des riesigen Europa-Palastes schielt hinüber zum kleineren Asta-Nielsen-Theater, und letzteres lässt sich von den seinem erfindungsreichen Leiter Kurt Baltes ein paar zusätzliche Glühlampen auf den Anzeiger drehen, um seine Plakate besser und schöner zu beleuchten als sein Konkurrent. Mag der als „Film der Woche“ eingekaufte Streifen auch noch so mittelmäßig oder gar nur eine Zweitverwertung sein, der Name Asta Nielsen wird schon darüber hinweg trösten. Ach ja, Asta Nielsen, sollen die Besucher denken und sich auf ein oder zwei großartige Momente konzentrieren, die sie, egal ob sie die anderthalb Stunden im Sperrsitz oder im Rang verbringen, an die Diva erinnern, die diesem Palast ihren Namen geliehen und ihn feierlich eingeweiht hat. Einigen Einfluss sowie zusätzliche Einnahmen verschaffen dem Kino ab 1919 die Niederlassungen einiger bedeutender Filmverleihe wie Apollo und Prometheus in den oberen Etagen, während im Kinosaal zunehmend öfter Krimis zu sehen sind, und die Wirtschaftskrise langsam, aber sicher durchschlägt.

3.
Kino im Krieg


In der Tat strahlt der Name der stillen Muse bis weit in die dreißiger Jahre hinein. Nach Hitlers Machtergreifung bemüht sich Propagandaminister Joseph Goebbels persönlich um die umtriebige Diva und offeriert ihr in ihrer Babelsberger Villa eine eigene Filmproduktionsfirma samt Studios. Trotz ihrer anhaltenden Erfolglosigkeit lehnt die Nielsen Goebbels’ kalkulierte Avancen entschieden ab und kehrt nach Dänemark zurück. Ihr Kino im entfernten Rheinstädtchen Düsseldorf scheint Nielsens Standfestigkeit als Ermunterung aufzufassen. Ausgerechnet das Asta ist eins von zwei Innenstadtkinos, die bis 1944 knapp von den Bomben verschont werden und jeden Tag hunderte von Leuten mit harmloser UFA-Unterhaltung und den dazu gehörigen propagandistischen Wochenschauen versorgen. 1932, kurz nach dem 30. Geburtstag des Hauses, wird an der Fassade ein riesiges UFA-Zeichen befestigt, das neben der Belieferung mit neuesten Unterhaltungsfilmen auch zahlreiche Besuche von Schauspielern garantiert. Kurt Baltes hegt und pflegt sein Publikum und lädt am Nikolaustag Kinder und Mütter zu kostenlosen Vorstellungen ein. 1942 kommt Baltes mit gerade einmal 37 Jahren im Zweiten Weltkrieg um - seine Tochter Rosemarie kann er nicht mehr kennenlernen.
Während man in anderen Filmtheatern oftmals noch über Treppen oder Gänge spazieren muss, um endlich ins Auditorium zu gelangen, braucht man im Asta vom Eingang bis zum Saal nur zwei Stufen und knapp 15 Meter. Bis zuletzt stehen die Gäste auf der Graf-Adolf-Straße Schlange, auch wenn auf den Zinnen des Hauses und der Nebengebäude nur noch verkohlte Fensterrahmen und Mauerreste in den Himmel schauen. Zweimal, am 12. Juni und 3. November 1943, fallen Bomben ins direkt benachbarte Eiscafé Gerland, während der Kinosaal und der rechts neben dem Eingang bestehende Zigarerrenladen Kordewich mit dem Schrecken davonkommen.


4.
„Scharfe Schüsse, heiße Küsse“


Als Dank für seinen langjährigen Einsatz wird das mittelschwer beschädigte Haus wenige Monate nach Kriegsende von den britischen Soldaten als Garrison-Cinema weitergeführt, ein typisches Unterhaltungs- und Wochenschaukino mit Programmen für Deutsche und Briten. Am 26.11.1946 feiert das Kino sein 35-jähriges Bestehen mit der Erstaufführung des tschechischen Melodrams "Nachtfalter". "Die neue Filmwoche" notiert dazu: "Dass heute ein deutsches Filmtheater auf 35 Jahre ununterbrochenes Bestehen zurückblicken kann, dürfte ein so seltenes Ereignis sein, dass es wohl der Erwähnung wert ist." Nach Komödienreprisen kristallisieren sich schnell Abenteuer- und Kriminalfilme zum neuen, alten Programmschwerpunkt des Asta heraus, bevor das Theater Anfang der fünfziger Jahre in einen eher schmucklosen, mehrgeschossigen Neubau integriert wird - samt "Vordach mit grüner und roter Neon-Beleuchtung, Marmorverkleidung und Flügeltüren am Einlass, sowie einem in Höhe des ersten Stockwerkes angebrachten Plakat-Transparent", wie es das Branchenblatt "Der neue Film" in seiner Ausgabe 17/1953 verkündet. Leider wird dem Mörtel und Beton zu viel Sand beigemischt, außerdem wird auf eine zweite, eigene Wand an das Nebenhaus 35 verzichtet. Walter Baltes und seinem Bruder Alfred kann dies zunächst egal sein. Der Betrieb der Eltern geht weiter und schon bald ist die Graf-Adolf-Straße wieder eine der leuchtendsten Kinostraßen des Landes, auch wenn die übrigen Kinos nur die üblichen Prunknamen Residenz, Savoy oder Rex tragen. Auch der Besitzer des vis-à-vis gelegenen Europa-Palastes hat sich zu früh gefreut. Zwar wartet das Asta lediglich mit 778 Plätzen auf, dafür aber ist es besser gerüstet, der heraufziehenden Kinokrise, von der freilich noch niemand etwas ahnen kann, die Stirn zu bieten.
Wer ins Asta Nielsen will, passiert die Flügeltüren und steigt zwei Stufen hoch ins Foyer. Über dem Eingang befindet sich ein kleines Fenster, das auf das Vordach und die Rückseite der Neon-Buchstaben blickt. Rechts im Foyer wartet das Kassenhäuschen, neben ihm führt eine weitere Tür in den Saal. Auch Stehplätze und Klapphocker werden in den 1950er Jahren den Gästen angeboten, denn die Vorstellungen am Abend sind so gut wie immer ausverkauft.
Das Theaterbüro und den Vorführraum im ersten Stock erreicht man über eine Treppe im Foyer. Die beiden Ladenlokale neben dem Kinoeingang werden an das neue Eiscafé Gerland und weiter an den Zigarrenhändler Kordewich vermietet. Neben dem Eiscafé, an der Nummer 39, entsteht das Hotel Adra, das bald wegen seiner billigen Zimmer berühmt-berüchtigt ist. Besonders zur Mittags- und Abendzeit eilen etwas hektisch agierende Pärchen und einzelne Damen und Herren durch den langen Gang Richtung Rezeption. Minuten später werden hinter den schmalen Fenstern Lichter angeknipst und Vorhänge zugezogen.    

Bis Mitte der sechziger Jahre versorgt das Asta Nielsen die Düsseldorfer kontinuierlich mit Piratenabenteuern, Monumentalschinken, Mantel- und Degenfilmen sowie unzähligen Western. Vorgeführt wird mit Ernemann-Projektoren II und IV im Format 1:2,35, 4-Kanal-Ton, die Leinwand misst 10 mal 5 Meter. Publikumsmagnet Nummer Eins wird der in Amerika aufgewachsene Eddie Constantine mit seinen am Fließband hergestellten Prügelkrimis wie „Scharfe Schüsse, heiße Küsse“ und „Auf Ihr Wohl, Herr Interpol“, die zuverlässig alle paar Wochen auf dem Programm stehen und nicht selten über 1.000 Besucher pro Tag anziehen.
In den Etagen über dem Traditionskino arbeiten währenddessen Verleihfirmen. Erich J. A. Pietrek lenkt von hier aus seinen NWDF-Verleih mit alten "Pat und Patachon"- und "Dick und Doof"-Filmen, die auch im Asta in den Jugendvorstellungen laufen, wo es zur Eintrittskarte noch ein kostenloses "Fix und Foxi"-Heft gibt. So schreibt das Asta Nielsen in mehrfacher Hinsicht Kinogeschichte.

1963 muss das Traditionshaus zusehen, wie sein bis dahin ungeliebter Konkurrent nach 35 Jahren Spielbetrieb abgerissen wird, um einem Kaufhaus und einem Büroturm Platz zu machen. Stück für Stück kämpfen sich die Abrissbirnen durch die Fassade in den Innenraum des Europa-Palastes auf der Graf-Adolf-Straße 44 vor, der mit 1762 Plätzen einer der größten Kinosäle der Stadt gewesen war. Der Schreck fährt dem Asta so ins Programm, das es auf anspruchsvolle neue Filme, wie sie das Europa in den letzten Jahren immer mal wieder in seinem Studio gezeigt hat, weiter verzichtet und, eingeklemmt zwischen den konkurrierenden Erstaufführungspalästen Residenz und Savoy, am Prinzip des reinen Kommerzkinos festhält. Zu stabilen Publikumsmagneten zählen Spaghettiwestern und bald auch deren komische Variante mit Terence Hill und Bud Spencer. "Die rechte und die linke Hand des Teufels" erlebt im alten Haus seine Erstaufführung und läuft über die Jahre ingesamt 17 Wochen. "Das Asta wurde für sein Westernprogramm über die Stadtgrenzen hinaus geschätzt", so Rosemarie Gramberg, die Tochter von Kurt Baltes. "Wenn ein Western im Asta gut lief, wollten andere Theaterbesitzer ihn unbedingt auch spielen." 


5.
Film-Treffpunkt


Ausgerechnet kurz vor Asta Nielsens Tod am 24. Mai 1972 schlittert das Kino dann in seine bis dato größte Krise. Trotz einer kurzen Renovierung im Dezember 1970, bei der Kinoarchitekt Hanns Rüttgers die Leinwand auf elf Meter verbreitert und auch Wandbeleuchtung, Foyer und Eiscafé neu gestaltet, weiß die neue Pächterin Marie-Luise Goldschmidt das um 126 Sitze verkleinerte Auditorium nicht mehr zu füllen. Ihr Konzept eines Raucher- und Verzehrkinos mit Getränketischen und einer Extra-Pause in der Mitte jeder Vorstellung geht trotz "Super-Hi-Fi-Stereoanlage" nur bedingt auf. Weder die Europapremiere von "Dirty Harry" noch zweitklassige "Django"-, "Dracula"- und "Godzilla"-Abenteuer im Wochenrhythmus können die fünf bis sechs Vorstellungen am Tag auslasten, auch die sonntägliche Jugendvorstellung um 11 kann nichts retten. Ein klarer Richtungswechsel bei den Publikumsvorlieben hat sich im April 1970 angedeutet, als der Sexschocker "Tokugawa - Gequälte Frauen" im Asta erstmals deutlich die Durchschnittszahlen der Western toppte. Unwesentlich besser steht es um das City und die Kamera, zwei kleinere Goldschmidt-Paläste, die auf derselben Straße liegen und trotz "Woodstock" oder "M*A*S*H" ebenfalls vor sich hin siechen. Harte Western und halbpornografische Lustspiele, die letzten Mittel, mit denen man gegen das gemütliche Fernsehen ankommen will, locken auch dort immer weniger Besucher vor die Kassenhäuschen. Auch das zeitgleich zur Renovierung des Asta von dem Kölner Juristen und Kinobetreiber Adolf Schoofs eröffnete Europa am Bahnhof subventioniert seinen Spielbetrieb mit den Einnahmen eines dreigeteilten Pornokinos namens Club intim, in dem man während der Vorführungen an einer Theke alkoholische Getränke ordern muss - damit das Ganze gemäß den gesetzlichen Bestimmungen als Gaststätte und nicht als Pornobetrieb gilt. Etwas vorausschauender ist nur der Düsseldorfer Kinobesitzer Willi Goldermann gewesen. Sein Savoy-Kinocenter besteht bereits seit einiger Zeit aus dem Savoy sowie zwei mittelgroßen Sälen, Atelier und Apollo 69, plus der kleinen Lupe. Das sichert dem Goldermann-Flaggschiff alle wichtigen Hits, da es den Filmverleihern für jeden eingekauften Film eine optimale Auswertung über mehrere Wochen bieten kann. Von Goldermanns Lupe, dem Club intim und der Lichtburg auf der Kö, die sich bereits ein Lichtburg-Studio aus den Rippen geschnitten hat, gucken sich die Kinomacher dann ab, wie man die großen Paläste in „moderne“ Center mit kleineren Studios zerteilt. Architekten zaubern aus 600-Platz-Sälen in den kommenden Jahren mehrere Kinos, indem sie um Balkonreihen zusätzliche Mauern ziehen oder Vorratskammern mit Teppichboden und einer vier Quadratmeter kleinen Leinwand ausstatten. Wenn der Fernseher im Wohnzimmer den Leuten gefällt, sollen sie die entsprechenden Kinos bekommen. Zu einer Art Visionär der neuen Schachtelkinos wird 1971 der zunächst nur in Münster aktive Kinobesitzer Heinz Riech, der nach einer Amerikareise mit dem Kauf der UFA-Kette zum neuen bundesdeutschen Kinokönig aufsteigt und keine Skrupel kennt, Gäste auf verschlungenen, mitunter absurd weiten Wegen in 50- oder 40-Platz-Kinos mit Spiegel- oder Rückprojektion zu bitten. Seine Meisterleistung: die Unterteilung des Kölner UFA-Palastes in 13 Säle - samt zeitweiser Eingemeindung des einige Häuser entfernten Gemini-Kinos.

Goldschmidts Umwandlung des Asta Nielsen in ein Raucher- und Verzehrkino hat tragische und doch entscheidend lebensverlängernde Konsequenzen. Fast genau ein Jahr nach der Übergabe des Kinos an Dr. Adolf Schoofs, dem zum Jahreswechsel 1972/73 mit dem Charles-Bronson-Thriller "Kalter Hauch" endlich wieder ein großer Erstaufführungshit gelingt, bricht nach einer Spätvorstellung von "Kadmos - Tyrann von Theben", am Samstag, 28. Juli 1973, im frisch renovierten Kinosaal ein Brand aus, verursacht durch eine auf dem Boden liegende Zigarette. Eine Putzfrau, die das Kino am Sonntagmorgen um 5:45 Uhr betritt, lässt die nötige Portion Sauerstoff ins Haus, so dass der Saal binnen weniger Minuten in Flammen steht. Rosemarie Gramberg eilt mit ihrem Mann Ralph aus Niederkassel sofort zum Kino.
Schoofs, der Goldschmidt bereits die Kamera und das City abgekauft hat, überlegt nicht lange und nutzt die Gunst der Stunde. Die restlichen Mitglieder der Familie Baltes wollen das Kino nach dem Brand möglichst schnell loswerden und verkaufen es, mitsamt dem hinter dem Kino und Hof liegenden Büro- und Wohnhaus Adersstraße 44, an Willi Goldermann. Im Auftrag des alten Pächters Schoofs, der das Haus schließlich von Goldermann kauft,
 fertigen die Düsseldorfer Architekten Hans Nehaus und Karl-Heinz Wiel aus dem Asta Nielsen zwischen August 1973 und Dezember 1974 einen modernen „Film-Treffpunkt“ mit drei Kinos. Das Einzelhaus mit 647 Plätzen wird in drei Säle mit 237, 149 und 94 Sesseln unterteilt. Der größte, das Asta 1, ist ein 18 Meter langer und acht Meter schmaler Schlauch. 19 Reihen, jede mit 11, 12 oder 13 Plätzen ausgestattet, schauen auf eine 21 Quadratmeter (6,10 mal 3,50 Meter) große Leinwand. Direkt nebenan wartet mit einer 14-Quadratmeter-Leinwand (5 mal 2,80 Meter) das 111 Quadratmeter große Asta 2, dessen hintere, etwas höhergesetzte Reihen 11 bis 15 nur jeweils sechs Plätze bieten. Schließlich gibt es das Piccadilly, das, im Mai 1982 in Asta 3 umgetauft, alle Filme per Spiegelprojektion und zunächst im Zwei-Stunden-Rhythmus vorführt. Im 64 Quadratmeter kleinen Piccadilly, dessen Boden als einziger nicht gefliest, sondern komplett mit Teppichboden versehen ist, steht gut die Hälfte der Sessel nicht parallel zur 7 Quadratmeter großen Leinwand (4 mal 1,80 Meter), sondern in einem Winkel von 45 Grad. Besonders kurios ist die Reihe 9, die aus lediglich drei Sitzen besteht. Ähnlich wie sein Mitbewerber Goldermann glaubt Schoofs an das Konzept, kleineren Sälen einen besonderen Namen und damit Club-Charakter zu geben, statt sie lieblos durchzunummerieren. Der langjährige Betreiber des Theater am Rudolplatz in Köln erinnert mit dem Namen Piccadilly an Oskar Stritzls legendären, gleichnamigen Nachtclub, der in den 1910er Jahren ebenfalls auf der Graf-Adolf-Straße gelegen und mit seiner Mischung aus Konzerthalle, Café, Kegelbahn und Casino bis in die frühen Morgenstunden Publikum angezogen hatte. Etwas kurioser ist Schoofs' Namensfindung für seine Kamera 2, die er zunächst Goya, wenig später dann Le Petit tauft.

An der Außenfassade des neuen Asta-Kino-Centers, auf dem „Filmtitelanzeiger“, prangen die Namen der aktuell gespielten Filme, darüber steht in  grünen, neu konzipierten Leuchtbuchstaben ASTA NIELSEN. Letztere kommen besonders abends wunderschön zur Geltung, wenn senkrechte Lichtröhren von links nach rechts über die Front wandern und den Namen alle fünfzehn Sekunden an und aus knipsen. Fast schon im Sinne des früh verstorbenen Kurt Baltes, der aus Liebe zur Ingenieurskunst gerne Lichteffekte an der Fassade einsetzte, erhält das Asta die schönste Kino-Außenbeleuchtung Düsseldorfs. 
Die großen, bis zum Boden reichenden Schaukästen neben den Eingangstüren sind mit rotem Stoff ausgelegt und zeigen die aktuellen Plakate und Aushangfotos. Die Typografie der Saalnamen, die jeweils oben in den Schaufenstern angebracht waren, orientiert sich an der alten Asta-Schrift der vergangenen Jahrzehnte. Asta 1 und 2 haben relativ große Flächen, um für ihre Filme zu werben, das Asta 3 muss sich mit den zwei schmalen Flächen direkt an der Straße begnügen, auf denen schon seit Jahrzehnten die Plakate hängen.


Düsseldorfs neuer Film-Treffpunkt wird am 4. Januar 1975 in den Kinos 1 und 2 mit Gérard Ourys Komödienklassiker "Die große Sause" eröffnet, der es anschließend auf 22 Spielwochen im Asta 2 bringt (Komödienspezialist Oury gelingt eine ähnlich lange Laufzeit acht Jahre später noch einmal im Comet im Universum mit dem Belmondo-Film "Das As der Asse"). Das für erwachsene Filme konzipierte Piccadilly erfährt seine Taufe mit der israelischen Schwerenöter-Komödie "Liebesknochen". Das Asta Nielsen zeigt auch nach seiner Neueröffnung fast ausschließlich Abenteuer- und Sexfilme, daneben allerdings auch Perlen wie Mike Nichols' "Die Reifeprüfung", Hal Ashbys "Willkommen, Mr. Chance", Fassbinders "Wildwechsel" und "Effi Briest" oder Pier Paolo Pasolinis "Die 120 Tage von Sodom". Das Eiscafé Gerland übersteht die anderthalbjährige Renovierung nicht, der Zigarrenhändler Kordewich hat bereits 1971 seinen Laden neben dem Eingang aufgegeben. Ins ehemalige Eiscafé zieht eine Pizzeria, in den ehemaligen Zigarrenladen ein Schnellfotogeschäft. 
Im März 1976 gibt Schoofs das Tagesgeschäft samt Filmeinkauf und Hausbetrieb in die Hände von Savoy-Chef Manfred Goldermann, der den von Schoofs gewünschten Mix aus A- und B-Kino erfolgreich weiterführt. Das Repertoire- und Nachspielkonzept geht im neuen Asta-Center voll auf. Neben "Bilitis" und "Einer flog über das Kuckucksnest" mausern sich auch die Wiederaufführungen der Literaturadaptionen "Der Körper meines Feindes" (mit Belmondo und Serena als Düsseldorfer Nachtclub-Sensation Frida) und "Wer stirbt schon gerne unter Palmen" zu Langläufern. Dazu treffen sich im Piccadilly Fans von Woody Allen, Romy Schneider und Jacques Tati, während das große Haus zunehmend öfter eindeutige Exploitationfilme von Erwin C. Dietrichs Ascot- oder Hans Madsacks neuer Apollo-Film anbietet. "Dieses Programm", so Rosemarie Gramberg, "war für uns, neben der Unterteilung des schönen alten Kinosaales, der eigentliche Schock."
Nur wenige A-Filme kann das Asta direkt zum Start ergattern, unter ihnen immerhin "Flammendes Inferno", "French Connection 2", "Der Marathonmann" und "Cruising". Das Asta 2 verbucht als exklusive Erstaufführungshits neben "Inspektor Clouseau - Der beste Mann bei Interpol" die eher aus der B- und C-Kategorie stammenden Mondo-Filme "Libido Mania" und "Das ist Amerika". Allein letzterer läuft sage und schreibe 36 Wochen ohne Unterbrechung. Das Publikum besteht bald wieder hauptsächlich aus Männern, die gerne die Platzanweiserinnen anpöbeln, wenn diese in Kino 1 und 2 die korrekte Platzierung für Loge und Parkett anmahnten. "Am Schlimmsten", erinnert sich eine ehemalige Mitarbeiterin, "waren die Bud-Spencer-Fans." Da die Kinos jeweils mit 15 Minuten Zeitunterschied starten, wird die Einhaltung der Sitzkategorien akribisch überprüft. Ende 1978 zieht der neue Kölner Mike-Hunter-Filmverleih von Gerd Wasmund und seiner Frau Angelika Wasmund-Bothmann ins Asta-Nielsen-Haus, um von hier aus für die Verleihbezirke Düsseldorf und Hamburg Hardcorefilme und deren Soft-Version, als auch normale Spielfilmproduktionen wie "Felicity", "Die ausgeflippte Kompanie" und "Flotte Bienen auf heißen Maschinen" an die Kinos zu verkaufen. Disponentin und Zweigstellenleiterin Marianne Schmidt rückt ab 1981 allerdings weiter Richtung Bahnhof - erst über die Kamera, dann 1982 über das Europa.


6.
Bahnhofskino ohne Bahnhof


Nach dem Tod von Adolf Schoofs steigen dessen Angehörige Mitte 1982 aus dem Kinogeschäft aus. Schoofs' Lebensgefährtin Gisela Schumacher, die vom Kölner Theater am Rudolfplatz weiter nach den Geschäften sieht, gibt die Programmierung der Kinos nun in die Hände der von Düsseldorf aus agierenden UFA-Kette, wobei das Asta aufgrund des drohenden Verkaufs und Abrisses nicht unter dem UFA-Label betrieben wird, sondern als wenig geliebtes Nach- und Mitspielkino weiterläuft, dessen Telefonnummer in den Zeitungsanzeigen die erste Zeit gar nicht erst genannt wird. Mitten zwischen ihren Erstaufführungspalästen Residenz, Universum und Berolina positioniert die UFA das mittlerweile von Sauna-Clubs, Stundenhotels und Videocentern eingerahmte Asta als eindeutiges Hau-Ruck-Schmuddel-Kino für Filme mit "low budget, but high thrills", während sie das Europa am Hauptbahnhof zum wichtigen Premierenkino ausbaut. Das Asta ist nun neben Manfred Goldermanns Rex am Hauptbahnhof das zweite Düsseldorfer "Grindhouse", ein Bahnhofskino ohne Bahnhof, mit einem schnell wechselnden Programm für ein ebenso hastiges Publikum, das im Wochenrhythmus explodierende Autos und nackte Frauenkörper sehen will und durch knallige, gemalte Filmplakate angelockt wird. Ein, wenn man so will, "pure cinema", das die bedient, die von den bewegten Bildern vor allem die möglichst aktionsreiche Darstellung der Durchsetzung von Gerechtigkeit und Liebeslust einfordern und auf das genaue Herstellungsjahr oder die Besetzung nicht viel Wert legen. Das Asta bleibt ein unakademisches Jahrmarkttheater, in dem der Inhalt zählt, nicht das Ambiente. Im Gegensatz zum Rex und Movie zeigt es so gut wie keine Karate- und Hongkong-Actioner, dafür aber Sexfilme, die im Rex zu Beginn der siebziger Jahre das Hauptgeschäft ausgemacht hatten. Ein Versuch, im Asta billige, überlange Filmnächte in Berliner Marmorhaus-Manier zu präsentieren, schlägt 1982 fehl und so bleibt man bei den eingeführten Zeitschemata. Schoofs' übrige zwei Kinos auf der Graf-Adolf-Straße, Kamera 1 + 2 sowie City, werden zunächst ebenfalls von der UFA weiterbetrieben, im Laufe des Jahres 1983 jedoch geschlossen. Die längst zu Nachspielkinos verkommenen Häuser ergeben sich ihrem Schicksal mit "Nackt und zerfleischt" (City) sowie "Kalte Wut" (Kamera 1).

In seinen letzten Jahren fungiert das Asta gleichzeitig als Erstaufführungskino für mittelstarke US- und Italo-Produktionen sowie als Prolongationskino erfolgreicher Genrefilme. Flankiert wird dies weiter von einem schier unerschöpflichen Sexfilm-Mix aus amerikanischen und französischen Sexdramen, alten Aufklärungsfilmen, britischen Sexklamotten, immergrünen Russ-Meyer-Werken, italienischen Schulsexkomödien und Caligula-Nachzüglern, Frauengefängnis-Filmen und Softversionen von Alois-Brummer- und Beate-Uhse-Pornos. Als Filmschauspielerinnen sieht das Publikum im Asta Nielsen vorzugsweise Uschi Buchfellner, Sylvia Kristel, Tawny Kitaen oder eine andere Nielsen mit Vornamen Brigitte, die sich als "Red Sonja" mit Arnold Schwarzenegger und anschließend mit Sylvester Stallone in "Die City Cobra" balgt. Ein weiteres Zugeständnis an das testosterongesteuerte, größtenteils aus der Arbeiterschicht stammende Publikum bleibt der Autoscooter in der mit Marmor ausgelegten, 42 Quadratmeter großen Kassenhalle. Aufgrund der Disposition durch die UFA muss das Asta öfters Gefälligkeitsfilme oder vereinbarte Wiedereinsätze mit günstigen Verleihmieten unter 40 Prozent spielen, was die Zahl der Erstaufführungen nochmals reduziert, die Filmfluktation jedoch erhöht. So bietet das immer klappriger werdende Kino seinen Besuchern im wöchentlichen Wechsel unzählige Action- und Horrormovies mit Barbaren, Söldnern, Ninja- und Endzeitkämpfern, Teenagerkomödien und, vornehmlich im Asta 3, Reprisen besagter Sexploitation-Filme. Dazu kommen unzählige Thriller mit dem Schauplatz New York, von Genreperlen wie "The Bronx", "Countdown in Manhattan" und "Alphabet City" bis zu B-Krachern der Marke "Der New York Ripper", "Die Bronx-Katzen" und "In der Hitze von New York". Eine mitunter abstruse, dennoch einmalige Mischung aus allen möglichen, mitunter mehrfach umgetitelten Exploitation-Movies und abgespielten Hollywoodhits,
für die das Publikum an der Kinokasse selten den Filmtitel, sondern meist nur kurz die Kinonummer 1, 2 oder 3 aufsagt. Kein Film wird, wie später in Multiplexen üblich, nur nachmittags oder abends auf Schiene gespielt, sondern jeder Film hat seinen Saal eine Woche für sich. Wer im Schnitt weniger als 50 Zuschauer pro Tag anzieht, wird Ende der Woche von den Filmvorführern wieder in mehrere Akte zerteilt und zur Abholung für den Filmspediteur vor die Tür gestellt. Von 1980 bis 1986 spielt das Asta in seinen drei Sälen 580 verschiedene Filme, die Hälfte davon erreicht keine zweite Spielwoche. Die durchschnittliche Wochenbesucherzahl hat sich seit Anfang der siebziger Jahre von 2.000 auf oftmals deutlich unter 1.000 reduziert. Schuld hieran ist vor allem der steigende Video-Konsum, der gerade Action- und Erotiktiteln zusetzt, und das damit verbundene Desinteresse an Wiederaufführungen, wie sie das Asta jahrelang pflegte. UFA-Dekorateur Fred R. Meyer und Filmvorführer Franz Haak sind buchstäblich im Dauereinsatz, um Kinobuchstaben und Plakate anzubringen und Filme neu aufzuziehen. Daneben hat das Asta wegen seiner günstigen Lage an der Berliner Allee und Corneliusstraße noch Bedeutung für den studentischen MEK-Filmclub der Uni Düsseldorf, der hier seine Kopien abholt.


Charakteristisch für die letzte Zeit des Asta sind die Action-Produktionen "Rambo", "Dirty Harry kommt zurück" und "Phantom-Kommando", Filme mit Adriano Celentano und Dieter Hallervorden oder die Teenieklamotten "Eis am Stiel 4. Teil: Hasenjagd" und "Porky's Rache" sowie die mittlerweile zu Klassikern des Radaukinos avancierten Schnellschüsse der Cannon-Brothers Menahem Golan und Yoram Globus. "Delta Force", "Die City-Cobra" und "Death Wish 3" durchbrechen kurzzeitig die Kette aus alten Sex- und Abenteuerfilmen - und laufen im Asta oftmals entschieden besser als im ähnlich programmierten Rex A-B-C am Bahnhof. Das Ende des Asta Nielsen fällt zusammen mit dem Niedergang des europäischen Starkinos, zuletzt jahrelang verkörpert von Jean-Paul Belmondo, Louis de Funès oder dem Gespann Terence Hill und Bud Spencer, und dem endgültigen Durchbruch eines familienkompatiblen, durchkalkulierten US-Blockbusterkinos, das erwachsene Thriller- und Komödienstoffe bald ans Fernsehen oder in die Videoauswertung verweist. Auch in anderen Städten und Ländern stehen einfachere Unterhaltungskinos wie das Asta Nielsen vor dem Aus. So gehen 1986 auch im Münchner Europa-Filmpalast und im Kölner Lux am Dom, beide in den 1950er Jahren in der Nähe der jeweiligen Hauptbahnhöfe eröffnet, die Projektionslichter aus. Außerdem schließt im Juni 1986 erst das Londoner Triplex Odeon Westbourne Grove und im Juni 1987 das zuletzt als United Artists Twin betriebene Rivoli am New Yorker Broadway. Bezeichnenderweise endet fast zeitgleich die Ära des gemalten Kinoplakats.

Ausgerechnet im letzten Jahr seines Bestehens findet das Asta noch einmal zu alter Größe zurück - und einige Erstaufführungen entwickeln sich zu Überraschungshits: "Bodycheck", ein gut inszenierter Eishockeyfilm mit Rob Lowe, und der aus der Cannon-Schmiede stammende Indiana-Jones-Verschnitt "Quatermain - Auf der Suche nach dem Schatz der Könige" mit Richard Chamberlain laufen jeweils 10 Wochen lang. John Carpenters "Big Trouble in Little China" schlägt in der Startwoche Ende September 1986 gar die Zahlen des benachbarten Savoy-Centers. In den letzten acht Monaten spielt das Kino wochentags in seinen drei Sälen meist lediglich zwei Vorstellungen, nur am Wochenende wird auch um 15 Uhr vorgeführt. Tägliche Frühvorstellungen werden nur in den Ferien oder zu Erstaufführungen wie "Die City-Cobra" noch einmal angeboten.

7.
75 Jahre


Am Spätabend des 30.12.1986, kurz nach 22 Uhr, wird das Asta geschlossen. Grund hierfür ist der endgültig geplante Abriss des gesamten Gebäudekomplexes Graf-Adolf-Straße 35-37. Eigentlich will die Gothaer Versicherung als Besitzer des Eckhauses Graf-Adolf-Straße/Corneliusstraße zunächst nur ihr Haus Nummer 35 abreißen, nachdem sich dort eine Neuverkleidung wegen der schlechten Bausubstanz nicht durchführen ließ. Als die Architekten erfahren, dass das Nebengebäude samt Kino keine eigene Wand besitzt, sondern einfach angebaut wurde, bietet die Versicherung der Eigentümerin Schumacher kurzerhand den Kauf der Immobilie an. Ein schwaches Kinojahr sowie die seit 1982 stark gesunkenen Besucherzahlen im Asta lassen keinerlei Gedankenspiele über eine mögliche Neuerrichtung des Traditionskinos zu. Die UFA hat bereits damit begonnen, den Verlust der Abspielstätte mit ihrem ausgeweiteten Europa-Kinocenter aufzufangen, ohne allerdings annähernd die Vielfalt des Asta-Programms erreichen zu können. Die letzten drei gezeigten Filme im Asta Nielsen sind vom 25.12. bis 30.12. "Madrid Connection" mit Michael Paré (Asta 1), "Vindicator" mit Pam Grier (Asta 2) sowie der nur knapp einstündige Sex-Oldie "He and She" (Asta 3). Ein für die letzten Jahre typisches, dennoch wenig glorreiches B-Movie-Fest mit gerade einmal 500 Besuchern. Am 30.12. gehen erst im Asta 3, um 21:45 Uhr, dann im Asta 1, um kurz vor 22 Uhr, dann im Asta 2, um 22:05 Uhr, die Lichter an - und schließlich für immer aus. Die letzten projizierten Bilder zeigen im Asta 2 die Schauspielerin Teri Austin. 

Bereits am Neujahrsmorgen sind sämtliche Plakate aus den Schaukästen verschwunden. Durch die Türen mit ihren roten runden Aufklebern sieht man ins Innere des dunklen Kinos, wo in den Schaukästen der Eingangshalle nur noch ein Schild "Voranzeige" befestigt ist. Daneben wirbt einsam Arnold Schwarzenegger als "City Hai" für die Film-Illustrierte und an der Kasse steht eine Box mit alten Werbekarten für den Film "Der Videopirat", der hier im November 1985 in allen drei Sälen seine Deutschlandpremiere feierte. Der Rest des Gebäudes mit Büroräumen und einer Sauna ist ebenfalls schon komplett ausgeräumt.


Am 17. März 1987 ist in der Zeitung ein Bild der Baustelle abgedruckt, auf dem man die Überreste des Asta Nielsen sehen kann. Hinter dem Schutt des Vorderhauses das offene Piccadilly. „Eine riesige Baulücke auf rund 800 Quadratmetern gähnt, wie unser Bild zeigt, zur Zeit an der Ecke Graf-Adolf-Straße / Corneliusstraße, und die Abbrucharbeiten gehen noch weiter. Es handelt sich um das in den ersten Nachkriegsjahren errichtete Gebäude der Gothaer Versicherung, das unter dem Wirken der Abrißbagger in sich zusammenfällt. Obwohl von der Außenfront her noch recht ansehnlich anzuschauen, war das mehrgeschossige Haus nach Auskunft des Bauaufsichtsamts von innen schon recht „faul“, da die Materialien nicht das hielten, was sie versprachen. Nun wird, wenn das Grundstück erst geräumt ist, ein neuer Verwaltungsbau der Versicherung errichtet. Ein entsprechendes Genehmigungsverfahren ist beim Bauaufsichtsamt bereits anhängig.“

Für das Düsseldorfer Kinopublikum bedeutet die Schließung des Asta ein deutlich verknapptes Filmangebot. Die unabhängigen Verleihfirmen Apollo, Ascot, CineVox, endfilm, Kora, Metropol und Scotia können viele Genretitel nicht mehr in der Landeshauptstadt unterbringen. Weder "Blutmond" noch "52 Pick-up", "Atomic Hero", "Teuflische Umarmung", "Gesucht: Tot oder lebendig", "Three for the Road", "Djangos Rückkehr", "Der rechte Arm der Götter" oder "Das unheimliche Auge" erblicken 1987 das Licht der Düsseldorfer Leinwände, Filme wie "House 2", "Night Hunter" oder "Karate Tiger" feiern ihre Startwoche in den kleinsten Schachtelkinos im Savoy, Rex, Residenz oder Europa. Die Umwandlung des Rex-Centers in ein vornehmes Mainstreamkino Ende 1987 drängt die Fans von Actionfilmen dann endgültig in die einschlägigen Videotheken und läutet zugleich das Ende der alten Bahnhofs- und Kinocenter ein.

Heute sind an der Stelle des Asta kleinere Ladenlokale und Büros angesiedelt, das benachbarte, für seine billigen Zimmer berüchtigte Manhattan-Hotel wird nach jahrelangem Leerstand renoviert. Die einstmals vom Kintopp bestimmte Graf-Adolf-Straße mit ihren Nebenstraßen hat in Folge des Multiplex-Booms bis auf das von den Filmkunstmachern Udo Heimansberg und Kalle Somnitz wiedereröffnete Atelier im Savoy sämtliche Traditionskinos verloren. Aus den letzten noch intakten Räumen sind Discos (Berolina, Europa, Residenz), Wettbüros (Rex), Theater (Savoy), Hotels (City, Kamera), Geschäfte (Universum), Sexshops (Film-Casino) und Verwaltungsgebäude (Lux) geworden.

(Rüdiger Schmidt-Sodingen)

Ganz herzlichen Dank an Rosemarie Gramberg, Jana Melichar und Klaus Weber für viele wertvolle Informationen zur Frühzeit und Geschichte des Kinos.